Jessy lässt ihr Zuhause hinter sich und damit eine Vergangenheit, an die sie nicht länger denken möchte. Fern vom Prunk und Trubel beginnt sie ihr Studium in Connecticut. Zum ersten Mal fühlt sie sich frei und kann selbst bestimmen wer sie sein möchte.
Doch als sie auf Alex trifft beginnt der Strudel an Emotionen erneut. Jessy spürt, dass Alex ein Geheimnis vor ihr hat, weiß aber nicht was er ihr verschweigt.
Haben die beiden eine Chance auf ihr Glück?
Achtung: Am Ende sind Spoiler enthalten, diese sind aber markiert!
Jessy und Alex
Den Hauptteil der Geschichte erleben wir mit Jessy und aus ihrer Sichtweise. Sie ist zwar ein junges naives Mädchen, aber wenn ich an mein 20 jähriges Ich zurück denke, war das nicht anders. Deswegen kann ich ihre Handlungen, ihre Emotionen und ihren Zwiespalt noch einigermaßen nachvollziehen. Sie ist eben hoffnungslos verliebt, sie weiß nicht wie sie reagieren soll und kann sich nicht entscheiden. Ihr Herz schmerzt aufgrund der Tatsache, dass Alex für sie Tabu sein sollte und doch ist sie ihm schon verfallen.
Dass ihre Gefühle überkochen und sie ohne Sinn und Verstand handelt – finde ich nachvollziehbar!
Was ich allerdings in keinster Weise nachvollziehen konnte ist wie Alex handelt und wie er sich gibt. Ich habe mir während des Lesens so oft an den Kopf gefasst.
Wir haben hier einen 33 jährigen Mann, der ohne darüber nachzudenken mehrere Menschen verletzt. Okay, das ist der Plot der Geschichte. Aber – dabei benimmt er sich nicht nur wie ein Arsch, er ist auch der größte Jammerlappen vor dem Herrn. Er stellt sich in die Opferrolle, obwohl er derjenige ist, den man mit Steinen beschmeißen sollte.
Ich konnte während des Lesens nicht einen Funken Sympathie für diesen Jungen aufbringen. Denn wie ein Mann hat er sich bis zum Ende nicht benommen.
Während ich dies schreibe kocht die Wut schon wieder in mir hoch. Das ging über frauenfeindliche Witze (die ich nicht lustig fand), bis zu Vorurteilen und Klischees. Denn natürlich ist das Essen von Salat ein Frauending, große Autos können nur Männer fahren, lange Spaziergänge müssen gelobt werden und Gilmore Girls ist natürlich auch nur Frauensache (das kam allerdings von Jessy).
Genauso die Sache mit dem Vorstellungsgespräch. Jessy sucht einen Job bevor ihr Studium losgeht und wie soll es anders sein, stolpert sie Alex in die Arme. Dieser denkt sich, wow, was für eine hübsche junge Frau, die hätte ich gerne öfters um mich. Sie landen bei ihm im Büro, er fragt woher sie kommt und zack, schon liegt der Arbeitsvertrag auf dem Tisch.
Das hat in mir ganz zwiespältige Gefühle hervorgerufen. Wird Hübsch sein als Qualifikation gemessen? Was sollen denn junge Mädchen denken, wenn sie dieses Buch lesen und eine Frau auf ihr Äußeres und auf die – Entschuldigung – Geilheit des Chefs reduziert wird?
Mal davon abgesehen hat Alex in der Mittagspause schon wieder vergessen woher sie kommt. Was soll ich als Leser davon halten?
Die Sache mit der Liebe
Ich habe dieses Knistern zwischen den beiden regelrecht vermisst. Oft hatte ich das Gefühl es handle sich um eine Vater-Tochter-Beziehung, da sie ihn ohne Ende anhimmelt, aber er ihr nichts zutraut und sie immer wieder lobt, wenn sie etwas schafft.
Natürlich war es dann schwer eine erotische Stimmung zu verspüren.
Ich glaube mir fiel es ebenfalls schwer eine Beziehung der beiden wahrzunehmen, weil sie sich kaum unterhalten haben. Gerade am Anfang treffen sie sich, aber wir erleben nicht live was sie sich erzählen, denn meistens Essen sie und reden nicht miteinander. Natürlich kann man jetzt sagen, sie haben sich mehrere Wochen auf der Arbeit kennengelernt, aber wenn du als Leser nicht mit einbezogen wirst, wie willst du da Gefühle verspüren können? Diese müssen sich ja auch mit den Seiten aufbauen und sind nicht plötzlich da.
Zum Beispiel weiß Alex bis zur Mitte des Buches nicht, dass Jessy Vegetariern ist. Ähm, die haben jede Mittagspause miteinander verbracht, zusammen gegessen und geredet und so ein wichtiges Thema wird nicht angeschnitten?
Ganz schlimm finde ich auch, wie schlecht es Jessy zwischendurch geht und Alex immer so tut, als wüsste er nicht warum. Sein dauerndes Gefrage, was denn nicht stimmt und wieso sie sich nicht gut fühle, zeugte von so wenig Empathie, dass sich mir der Magen umdrehte.
Wofür ich mein Lob aussprechen möchte ist die Sache, wie ihre Freunde mit der Liebe zwischen Alex und Jessy umgehen. Denn wo andere sicher nur Vorurteile hätten und es zu Vorwürfen kommen würde, da reagieren Georgie und Ben wirklich klasse. Sie gehen auf Jessy ein, drängen sie nicht und lassen ihr den Raum sich selbst zu öffnen.
Generell finde ich Georgie und Ben als Charaktere toll. Sie bringen Schwung in die Geschichte, retten manche Handlung, hören zu und sind für Jessy da, mehr als Alex es in meinen Augen ist. Sie ziehen manche miese Stimmung aus dem Loch, stehen hinter ihrer Freundin und unterstützen diese.
Fremdschäm Momente und andere Peinlichkeiten
Dann gab es diesen einen großen fremdschäm Moment und ich glaube den kann ich hier schreiben, ohne groß zu spoilern. Jessy arbeitet am Paketband und ist in ihre Arbeit vertieft, plötzlich kommt Alex, legt ihr die Hände auf die Augen und sie quietscht, weil sie sich erschreckt. In der Firma? Während der Arbeit? Wenn ALLE zusehen? Oh mein Gott, ich dachte ich bin im falschen Film. Sowas macht man doch nicht!? Ich würde mich in Grund und Boden schämen.
So kommen wir zu etwas anderem. Jessy war bis vor einigen Jahren Profischwimmerin. Ich bin jetzt kein Profischwimmer, kenne allerdings die Olympischen Spiele oder sonstige Wettkämpfe. Bisher habe ich dort nur Badeanzüge gesehen. Nun, Jessy zieht ihre Bahnen im Bikini. Soweit so gut, spätestens bei einer Wende wären mein Oberteil und meine Hose gefährlich nach unten verrutscht. Aber ein Kopfsprung ins Wasser? Hm, also wenn ich das versuche ist meine Unterhose in den Kniekehlen.
Vielleicht sind ja auch nur meine Bikinis nicht für wilde Sachen im Wasser gemacht und ja, ich weiß, es gibt Sport-Bikinis, aber ich habe noch nie eine Frau bei einem Schwimmtraining oder -wettkampf im Bikini gesehen.
Hinzu kommt, dass sie dauernd ihre intimen Momente mit der Öffentlichkeit teilen. Im Schwimmbad bei einem ernsten Gespräch, auf Arbeit, wenn alle anderen dabei sind und sie sogar deswegen schon »Turteltauben« genannt werden.
Ein Aspekt den ich wirklich wichtig finde: Umweltbewusstsein. Nur leider wurde es immer aus dem nichts eingestreut, sodass es zu gewollt rüberkam. Hätten wir Jessy und ihr ganzes Handeln über immer so erlebt, dann wäre es was anderes gewesen. Aber hier werden plötzlich Passagen eingeschoben, die nicht mit der Handlung verschmolzen.
SPOILER
Was ich wirklich ganz ganz schrecklich fand kommt jetzt. Jessy ist sehr missgünstig und haut da Gedanken raus, die mir die Sprache verschlagen haben.
»Diese Frau hat den Mann, den ich für einen der besten Kerle halte, die mir bisher begegnet sind, einfach nicht verdient. Sie kann ihn gar nicht verdient haben, denn wenn sie ihn so lieben würde, wie er es verdient, dann wäre er doch nie zu mir gekommen.«
Wie kann ein Mann, der zwei Frauen betrügt, denn das tut er, der beste Mann der Welt sein? Wie kann ein Mann, der verletzt, der hinhält, der ausnutzt und noch dazu auf den Gefühlen aller rumtrampelt überhaupt jemanden verdienen? Was weiß Jessy davon wie seine Frau ihn liebt? Was für eine Liebe verdient ein Mann wie Alex? In meinen Augen gar keine. Punkt.
Hinzu kommt, dass er sie ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch Honey nennt. Hinter jedem Satz. An manchen Stellen war es einfach unpassend. Ich schütte doch nicht mein Herz aus und will dann »Alles wird gut, Honey. Mach dir keine Sorgen, Honey.« hören. Ich wäre fast ins E-Book gesprungen.
Was ich dann wiederum witzig fand, dass er sich aufregt, verletzt ist und es ihn hart trifft, als seine Frau ihm gesteht, dass sie ihn schon länger betrügt. Wie kann er sich da nochmal so aufspielen und sich betrogen fühlen. Der Drops ist ja wohl schon lange gelutscht.
SPOILER ENDE
Schreibstil
Ich muss sagen, dass ich ziemlich schnell durch die 500 Seiten durchgekommen bin, obwohl ich meine Probleme mit Alex hatte und ziemlich genervt von seinem Handeln war.
Der Schreibstil ist einfach und lässt sich schnell lesen.
Zwischendurch kommen Tagebucheinträge, die mir zu kindlich gestaltet waren und auch nicht viel Aussagekraft geboten haben. Außerdem gibt es immer wieder Chatverläufe aus denen ich nicht ganz schlau geworden bin, was sie zur Handlung beitragen.
Ich finde den Aspekt des Geheimnisses und die Vergangenheit von Alex wirklich gut, nur die Umsetzung hat mich leider nicht überzeugt. Es rechtfertigt außerdem nicht, wie Alex sich benimmt, egal was für ein schweres Schicksal ihn ereilt hat.
Fazit: Was für eine lange Rezension! Eine Geschichte mit viel Potenzial, die für mich leider daneben ging. Mit den Charakteren wurde ich nur teilweise warm und mit Alex konnte ich nicht einen Moment sympathisieren. Das Knistern fehlte mir auch gänzlich, da Jessy und Alex eher wie in einer Vater-Tochter-Beziehung steckten. Einzig und allein die Nebencharaktere Georgie und Ben konnten die Handlung etwas retten.
Beim nächsten #blogger_innensonntag am 8. Dezember geht es um: Deine Lieblingsleseorte
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