Dämonen? So etwas gibt es nicht! Genau das denkt sich Ginevra, als ihre Familie ihr eröffnet, dass sie allesamt Dämonenjäger sind und sie nun auch einer werden soll. Verrückt und bescheuert! Doch da findet sie sich schon inmitten der Clans von Dämonenjägern wieder. Alle der festen Überzeugung, dass es die Unterwelt gibt und aus dieser Dämonen auf unsere Welt schlüpfen. Verraten wollen sie jedoch nichts.
Ginevra ist vor die Wahl gestellt: akzeptiert sie die Verschwiegenheit und bleibt außen vor, oder begibt sie sich auf die Suche und findet heraus, was wirklich hinter all den Geheimnissen steckt?
Erst einmal möchte ich anmerken, dass der Klappentext des Buches nicht wirklich das wiedergibt, was in der Geschichte passiert. Wann gewinnen die Dämonen an Macht? Wieso stehen die Clans vor dem Zerfall? Und wo zum Teufel ist die Jagd? Doch dazu später mehr.
Kommen wir als Erstes zu Ginevra.
Sie ist ein verwöhntes, verhätscheltes Zicklein, das ihre Wut in keinster Weise unter Kontrolle hat. Mit sechzehn Jahren ist man in einer schwierigen Phase und ich will gar nicht leugnen, dass sie in einer Ausnahmesituation ist. Aber immer wieder diese Wut? Ich möchte sagen, dass mir selten ein Charakter untergekommen ist, der so brodelte und kochte, wie sie es tat. Manchmal ohne Grund. Es brauchte nur einen Satz und die Stimmung kippte und sie kletterte die Wände hoch. Die ganze Zeit. Ungelogen am Anfang hat sie mindestens alle zwei Seiten einen Wutanfall. Sie schäumt, zickt, faucht, schreit und schimpft. Ihre Aufmüpfigkeit geht immer nach hinten los und am Ende steht sie peinlich berührt da. Was ich wiederum schon fast lustig fand.
Immerhin sieht sie jedes Mal ein, dass sie zu weit geht. Das macht es aber nicht unbedingt besser.
Es kam so weit, dass ich auch wütend wurde. Meine Güte, ich habe mir an den Kopf gefasst und wollte sie schütteln. Ein bisschen mehr Vernunft hätte ihr nicht geschadet. Oder eine Aggressionstherapie.
Nach einiger Zeit haben mich auch ihre Gedanken genervt. Sie wird nie müde zu wiederholen, dass sie nach London ins Internat gehört. Oder dass ihre Familie bekloppt ist.
Was ich ihr wirklich zu Gute halten muss: Sie entwickelt sich. Ab der Hälfte des Buches sind es nur noch alle zehn, irgendwann nur noch alle dreißig Seiten ein Wutanfall. Ihre jammernden Gedanken hören auf und sie akzeptiert, dass es mehr gibt auf der Welt, von dem sie nichts weiß. Ihre kindischen Aussetzer sind fast komplett verschwunden und am Ende ist sie eine junge Frau, mit der ich mitfühlen kann und die nicht unnahbar erscheint.
Und dann ihre Familie. Der absolute Knaller! Vater und Großvater sind sich nicht ganz einig, ob sie Ginevra einweihen sollen, tun es dann doch, aber irgendwie auch nicht. Es läuft nach dem Motto «Kind, du bist eine Dämonenjägerin, wir werden dir keine Fragen beantworten, du musst gar nichts wissen darüber und du wohnst jetzt hier. Alles klar?» Mehr als frustrierend, nicht nur für mich, sondern auch für Ginevra. Generell tauchen ihr Großvater und Vater auch nur auf, um sie aus allem rauszuhalten oder ihr wieder etwas zu sagen, um sie dann nicht einzuweihen. Sie wird die ganze Zeit im Dunkeln gelassen, angeblich um sie zu schützen. Das ist jedoch mehr als kurzsichtig, da sie gar nicht weiß, worauf sie achten muss oder mit wem sie es zu tun hat. Und genau diese Unwissenheit bringt sie überhaupt erst in Gefahr.
Im ganzen Buch begegnen wir vielleicht vier oder fünf Dämonen. Sicherlich sind auch unerkannte dazwischen oder schleichen in Gebüschen herum. Zu Gesicht bekommen wir jedoch nur diese wenigen und das auch nur sehr kurz und knapp. Es gibt ein paar mysteriöse Andeutungen, in Bezug auf sie, aber noch keine Aufklärung dazu.
Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum sich die Clans Dämonenjäger nennen. Im Laufe der Geschichte machen sie nicht viel mehr als zur Schule zu gehen, an Ratssitzungen teilzunehmen, Verhandlungen zu führen und sich selbst in den Himmel zu loben. Meine Vorstellung war, dass sie die Dämonen suchen und aufspüren und sie ausschalten oder dass sie ihnen durch ihre Gräueltaten auf die Schliche kommen und sie zurück ins Jenseits schicken. Ich versprach mir Action, Kampfszenen, wilde Verfolgungsjagden. Doch allzu viel passierte in die Richtung nicht. Erst auf den letzten Seiten wurde es richtig spannend und ging zur Sache und ich bekam endlich meine Actionszenen!
Auch der Titel hat die ganze Zeit nicht gepasst, erst auf der fast letzten Seite habe ich es verstanden. Für mich wäre er im zweiten Band besser aufgehoben gewesen.
Und hier noch einmal zum Klappentext, der für mich nicht ganz zustimmte:
Die Dämonen gewinnen an Macht? → Wir erfahren nur, dass es immer mehr werden.
Die Clans stehen vor dem Zerfall? → Kam mir nicht so vor. Keine Massenpanik, keine hysterischen Schreie. Aber vielleicht haben Ginevras Großvater und Vater uns auch das verschwiegen?
Die Jagd hat begonnen? → Auf wen? Wo? Habe ich sie verpasst?
Im ganzen hätte ich mir gewünscht, dass es schneller voran geht, dass der Leser mehr Brocken zugeworfen bekommt und mehr in die Geschehnisse eingebunden wird. Nicht nur Ginevra fühlte sich ausgeschlossen, mir erging es genauso.
Der Schreibstil von Katharina Sommer ist fesselnd und flüssig und nur deshalb konnte ich Ginevras Wutanfälle ertragen. Am Ende fand ich ihn regelrecht packend und spannend. Ohne diesen klasse Schreibstil, hätte ich das Buch höchstwahrscheinlich abgebrochen. Was wirklich schade gewesen wäre, da es gerade ab dem letzten Drittel zur Sache geht und was passiert. Die Dinge werden endlich voran getrieben, man tappt nicht mehr im Stockdunkeln, es kommen erste Ergebnisse!
Einzig und allein manche Textpassagen sind sehr einfach und eintönig gehalten. Zum Beispiel wird Ginevras Wut immer nur als Wut beschrieben. Ein anderes Beispiel: Als sie alleine in den Kellergewölben ist, verspürt sie auf fünfzehn gelesen Seiten bestimmt über dreißig mal das Gefühl der Angst. Ich will sie nicht als Memme darstellen, mir würden auch die Knie schlottern, aber es gibt weitaus mehr Gefühle, die die Angst beschreiben und die man ausdrücken kann. Gänsehaut, weiche Knie, zittern, eine Schwere auf der Brust, Fluchtgedanken etc. etc. Die Angst ist viel umfassender.
Über die Männer im Buch möchte ich nur kurz etwas los werden: Sie wissen allesamt nicht was sie wollen ...
Fazit: Eine wütende Protagonistin, die sich viel zu spät in den Griff bekommt, weniger Dämonen, als gedacht und eine zu langsam voranschreitende Handlung, die mehr Geheimnisse aufweist, als dass sie diese löst. Erst im letzten Drittel wird es wirklich spannend und actionreich!
Da der Schreibstil von Katharina Sommer aber absolut fesselnd ist konnte es so manchen Manko in »Hunter - Ich jage dich« beheben.
Hätte die Geschichte auf allen Seiten, wie auf den hundert letzten gespielt, dann wäre meine Bewertung am Ende deutlich besser ausgefallen.
Beim nächsten #blogger_innensonntag am 10. November geht es um: Liest du mit oder fernab vom Hype?
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